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Wie wirkt Psychoanalyse?

Beitrag von Ariane Velten - 18. April 2017

Die moderne Psychoanalyse legt den Schwerpunkt nicht nur auf unbewusste innere Prozesse, sondern auch auf den Umgang und die Erfahrungen mit den Mitmenschen. Denn diese haben einen erheblichen Anteil daran, wer wir sind; erst durch Interaktionen mit anderen Menschen entsteht das Gefühl der eigenen Identität.

Die Psychoanalyse geht auf Sigmund Freud zurück, der das Verfahren um 1900 entwickelte und sich mit der Erforschung des Unbewussten befasste. Mittlerweile hat sich die Psychoanalyse weiterentwickelt und ist wesentlich moderner geworden. Bei den modernen Ansätzen liegt der Schwerpunkt mehr auf der Beziehung zu sich selbst und zu anderen Menschen – was unmittelbar in der Interaktion mit anderen, aber auch in der Interaktion mit dem Therapeuten zum Ausdruck kommt.

Bei einer psychoanalytischen Behandlung versucht der Patient möglichst offen zu beobachten und zu erzählen, was in ihm vorgeht.

Der Therapeut hilft dabei, das Innenleben des Patienten in Bezug auf die Problemstellung in Worte zu fassen und zu verstehen. Dabei ist wichtig, dass der Therapeut nicht mehr die alleinige Deutungshoheit hat – in dem Sinne, dass er alleine weiß, was richtig ist –, sondern dass Patient und Therapeut gemeinsam versuchen, den (unbewussten) Sinn der Symptome oder des Leidens zu verstehen. Dabei kann es auch wichtig sein, sich an Träume zu erinnern und diese in den Sitzungen gemeinsam zu verstehen.

Gerade in Zeiten von Globalisierung und gesellschaftlichen Veränderungen, in denen alles schnell gehen muss, Sicherheiten unsicherer erscheinen und viel von uns verlangt wird, ist es heilsam und gesund, sich Zeit zu nehmen für die inneren (unbewussten) Prozesse, die in uns vorgehen. Damit wir uns mehr als Akteur in unserem Leben verstehen können und uns von der Opferrolle als Getriebener der Umstände und Anforderungen zu verabschieden lernen.

Das Leiden an bestimmten Symptomen kann als Ausdruck von unbewussten Konflikten verstanden werden, die im Zusammenhang mit unseren Erfahrungen mit den frühesten Bindungspersonen stehen. (Dies müssen keinesfalls traumatische Ereignisse sein, wie fälschlicherweise oft vermutet wird.) Diese frühen Erfahrungen wollen verstanden und verarbeitet werden; oft spielen dabei unbewusste Gefühle, Motive und Wünsche, aber auch unbewusste Ängste eine bedeutende Rolle.

Die Verarbeitungskompetenzen, die man als Kind hat, sind natürlich eingeschränkt und bringen oft allerlei Nachteile mit sich, da man als Kind naturgemäss nicht alle Konsequenzen antizipieren kann. Wir finden dann in der Folge Kompromisse in Bezug auf die unterschiedlichen -teils unbewussten und teils sich widersprechenden- Wünsche, Bedürfnisse und Ängste. Diese können dann zu Spannungen und in der Folge zu unterschiedlichen Symptomen (Depressionen, Ängste, Zwänge etc.) führen, diese wiederum schränken uns in der Regel ein hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit und Kreativität, der Genussfähigkeit sowie im Erleben von befriedigenden Beziehungen und der allgemeinen Lebenszufriedenheit.

Deshalb wird in einer psychoanalytischen Behandlung zunächst zu verstehen versucht, wie unsere frühen Beziehungserfahrungen waren und wie diese mit den aktuellen Symptomen in Verbindung gebracht werden können. Ebenso wird zu ergründen versucht, welche (unbewussten) Verarbeitungsmechanismen und Einstellungen zu uns selbst und zu anderen Menschen dazu beitragen, dass die Symptome und damit die Lebenseinschränkungen aufrechterhalten werden.

Die Psychoanalyse beschäftigt sich aber nicht nur mit der Vergangenheit, sondern auch viel mit den Interaktionen im Hier und Jetzt – sowohl mit unserem eigenen Selbst als auch mit anderen Menschen. Oft können hinderliche Interaktions-Muster auch im Zusammenspiel des Patienten mit dem Therapeuten entdeckt und schließlich verstanden werden. Der Therapeut wird Sie auch darauf hinweisen, wie Sie durch Ihr Verhalten das herbeiführen, was Sie eigentlich verhindern wollen. Dass das nicht immer schön oder einfach ist, kann man sich vorstellen. Denn wer beschäftigt sich schon gerne freiwillig mit unangenehmen und verdrängten Persönlichkeitsanteilen?

Häufig wird die psychoanalytische Behandlung aber auch als Halt und Stabilität gebend erlebt – etwa, indem der Therapeut sowohl einen sicheren äußeren Rahmen bietet (feste Termine zu festen Zeiten) als auch einen inneren, psychischen Raum eröffnet, in dem Gefühle benannt und verstehbar werden und bislang Unaussprechliches in Worte gefasst werden kann. Dies führt zu mehr Klarheit und zu mehr innerem Halt; es hilft sich selbst besser zu verstehen und eröffnet so neue Handlungsmöglichkeiten. Sie können sich selbst wieder mehr als Akteur in Ihrem Leben fühlen und mehr Lebensfreude und Zufriedenheit in Bezug auf sich selbst und Ihre Beziehungen gewinnen.

Doch kann eine seriöse Psychotherapie kein umfassendes Glücksgefühl versprechen. Die erhöhten Freiheitsgrade sind vielmehr im Rahmen der alltäglichen Unzulänglichkeiten des Lebens zu verstehen, mit denen man sich als Erwachsener bestenfalls zu arrangieren lernt.