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Warum Gruppentherapie?

Beitrag von Ariane Velten - 7. Juni 2017

Viele Menschen haben zunächst Scheu, sich in Gruppen emotional zu öffnen und fragen mich dann:

„Warum soll ich denn eine Gruppentherapie machen, wenn ich Sie auch für mich alleine haben kann?“
Ein grosser Vorbehalt gegen Gruppentherapien ist die Sorge, nicht genügend Raum für sich und die eigenen Themen zu haben. Das stimmt – allerdings hat die Gruppenbehandlung auch handfeste Vorzüge:

Psychischen Beschwerden liegen oft auch Schwierigkeiten in Beziehungsgeflechten zugrunde. Diese können in der Gruppe leichter sicht- und behandelbar werden. Durch die unterschiedlichen Sichtweisen und Einstellungen der Anderen werden dabei mehrere Aspekte in den Blick genommen. Das Erleben von Ähnlichkeiten und Differenzen zu den Gruppenmitgliedern führt zu einem klareren Gefühl für das eigene So-Sein und für die eigene Identität.

Beim Eintreten in eine Gruppe machen neue Mitglieder manchmal „seltsame“ Erfahrungen: Indem sie sich einbringen, vielleicht von eigenen Problemen erzählen, bekommen sie oftmals Interesse und Sympathie entgegengebracht, und die anderen Mitglieder vergleichen das Berichtete vielleicht mit ihrer eigenen Situation. Gleichwohl geht es dann auch bald um die Probleme eines anderen Mitglieds – die eigenen Probleme werden somit wieder relativiert. Aber auch hierbei bleibt  es im Verlauf der Gruppentherapie nicht stehen, sondern nun rücken die aktuellen Beziehungen der Mitglieder untereinander und zum Gruppentherapeuten immer mehr in den Vordergrund. So können die eigenen Beziehungswünsche deutlich werden – nämlich durch den Versuch, sie in einer gewohnten Weise auszudrücken und auf die Anderen einzuwirken. In der Gruppe funktioniert das aber in der Regel nicht so gut wie in Paar- oder Familien-Konstellationen, da die Gruppenmitglieder zumeist nicht so darauf reagieren, wie man es normalerweise gewohnt ist. Typische Konfliktmuster treten deutlicher zu Tage und werden der Bearbeitung im Hier und Jetzt zugänglich. Die ungewohnten und unverhofften Reaktionen der Anderen können einerseits Ängste und Unsicherheiten, aber auch Neugierde auf neue Erfahrungen auslösen.

Grundsätzlich kann die Gleichzeitigkeit von Nähe und Distanz, von Verbundenheit und Loslassen in der Gruppe intensiver erfahren werden. Das dynamische Wechselspiel dieser beiden Pole erweitert die Fähigkeit, sich selbst zu erfahren und zugleich das Anders- und Ähnlich-Sein der Anderen zu erleben. Die zwischen diesen Polen entstehende Spannung ist in allen zwischenmenschlichen Beziehungen vorhanden. Dies bewusster zu erfahren und die eigenen Schwierigkeiten in diesem Spannungsfeld zu erkennen, erhöht die Spielräume und Freiheitsgrade im Umgang mit Beziehungen im eigenen privaten und beruflichen Alltag. Somit wird es wahrscheinlicher, dass Konflikte nicht immer denselben Verlauf nehmen, sondern dass sich auch neue Möglichkeiten eröffnen können.

 

 

Literatur:  Prof. Dr. Reinhard Kreische (2012):Paarbeziehungen und Paartherapie, Kohlhammer, Stuttgart.
Brigitte Mittelsten Scheid (2010): Die Bedeutung der intersubjektiven Wende der Psychoanalyse für die Gruppenanalyse. gruppenanalyse 2010, heft 1, S. 82-102.