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Männer und Therapie?

Beitrag von Ariane Velten - 4. September 2017

Männer nutzen Psychotherapieangebote nur halb so oft wie Frauen. Das heißt aber nicht, dass sie weniger psychotherapeutische Hilfe brauchen. Im Gegenteil: Männer begehen dreimal häufiger Suizid als Frauen, leiden häufiger unter Drogenabhängigkeit und werden signifikant häufiger straffällig.

Männer haben aber auch spezifische Werte und Verarbeitungsmechanismen, die auch in der Therapie von Bedeutung sind: Männer schauen häufiger Fußball oder spielen selbst einen (anderen) Mannschaftssport. Beim Mannschaftssport geht es um typisch „männliche“ Themen; es gibt ein Ziel, den Wettkampf, die andere Mannschaft muss besiegt werden, aber nicht nur durch ein „höher, schneller, weiter“, sondern am besten durch eine Kombination aus Körperkraft, Zusammenhalt der Mannschaft und Strategie. Jeder einzelne Mitspieler trägt Verantwortung für den Verlauf des Spiels. Am Ende des Wettkampfes weiß man genau, wo man steht, und man feiert zusammen seinen Erfolg und seine Stärke. Verliert man, lernt man mit Versagen und Schuldgefühlen („Heute hab ich’s vermasselt“) umzugehen; man kann seine Strategien weiter verfeinern oder lernen, mit dem Status quo zufrieden zu sein und seinen Platz in der Hierarchie der jeweiligen Liga zu akzeptieren.

 

„Soll ich jetzt meinen Namen tanzen?“

Psychotherapie stößt dagegen oft auf Vorbehalte seitens vieler Männer: „Weiberkram“, „Soll ich jetzt meinen Namen tanzen?“ oder „Wozu immer dieses endlose Gequatsche, bei dem dann doch nichts herauskommt.“

Dahinter steckt häufig die Sorge, dass eigene Schwächen zutage treten könnten;  Schwächen, die aus Männersicht am besten für immer im Verborgenen bleiben sollten. Deswegen haben viele Männer so gut gelernt, ihre Gefühle zu unterdrücken – so gut, dass sie kaum noch Zugang dazu finden. Viele Männer fordern von sich selbst, dass sie alleine mit ihren Problemen fertigwerden, damit sie für die Menschen oder die Dinge, die ihnen wichtig sind, Verantwortung übernehmen können. Zudem steht Männlichkeit gerade in heutigen Zeiten unter „verschärfter Geschlechterkonkurrenz und Globalisierungsdruck“ (Walter, Hierdeis 2013, S.3) – was oft zu Isolation und Überforderung führt.

 

Was brauchen Männer in der Therapie?

Männer wünschen sich in der Therapie klar umrissene Fragestellungen: Wie kann ich mit meiner Impulsivität umgehen lernen? Wie kann ich meine Konflikte in der Partnerschaft verstehen? Was ist für mich am Vatersein so schwierig? Was steckt hinter meinen Konflikten am Arbeitsplatz? Und vor allem: Was kann ich tun? Männer suchen mehr alternative Handlungsmöglichkeiten, mit denen sie ihre Selbstwirksamkeit wiedererlangen können.

Außerdem brauchen Männer Psychotherapeuten, die um die Bedeutung der Vaterschaft und des männlichen Prinzips in der psychischen Entwicklung von Kindern wissen, dies wertschätzen und reflektieren, die aber auch die spezifischen psychischen Verarbeitungsmechanismen von Männern kennen und ernst nehmen.

 

Wie kann Psychotherapie Männern helfen?

Eine Psychotherapie zu machen, kann man sich vorstellen wie einen Wechsel der bisherigen Fußball-Taktik: Statt immer nur mit Volldampf voraus und den Gegner mit Kraft und Schnelligkeit zu übertrumpfen und zum Verteidigen möglichst schnell wieder zurückzulaufen, werden neue Strategien erdacht, erlernt und erprobt. Ob die neue Taktik nun mehr Beckenbauers oder Pep Guardiolas Stil ähnelt, ist zweitrangig – je nachdem, was für Sie besser passt und praktikabler ist. In jedem Falle ermöglicht die neue Taktik einen flexibleren Umgang mit der Offensive und der Defensive und damit mehr Handlungskraft, größere Spielräume und erhöhte Selbstwirksamkeit.

An einen Strategie-Wechsel muss sich die Mannschaft erst gewöhnen und sich aufeinander einspielen, bis das neue System läuft.

So ist es auch in der Therapie: Die Entwicklung neuer Strategien im Umgang mit sich selbst – z. B. die Landkarte der eigenen Gefühle kennenzulernen – kann einen zunächst verunsichern. Aber erst wenn man die eigenen Gefühle genau kennt, kann man neue Herangehensweisen im Umgang mit bisherigen Problemen entwickeln. Keine Sorge, hierbei geht es nicht um Gefühlsduselei! Sondern es geht um die Erweiterung von Wissen und um die Erkenntnis von sich selbst.

Die neue Taktik wäre also, sich schwache Momente einzugestehen, um sich selbst und seine Probleme besser einschätzen zu können. Dabei können Ängste auftauchen: die Angst vor Demütigung; die Angst, kein starker, handlungsfähiger Mann mehr zu sein; die Angst, sich vollständig abhängig von der Person zu machen, der man sich gerade so „schwach und ungeschützt“ offenbart hat; aber auch Versagensgefühle, die darin bestehen, seinen Idealbildern von Männlichkeit nicht mehr zu entsprechen.

Nach meinen Therapieerfahrungen mit Männern hat sich aber eines herausgestellt: Es ist stets ein Taktik-Wechsel, der sich lohnt!

empfohlener link: https://praxis-velten.de/blog/triangulierung/
Verwendete Literatur:
H. Hopf (2014): Die Psychoanalyse des Jungen. Klett-Cotta. Stuttgart.
J. Grieser (2011): Architektur des psychischen Raumes. Die Funktion des Dritten. Psychosozial-Verlag. Giessen.
H. Walter, H. Hierdeis (2013) (Hrsg.): Väter in der Psychotherapie. Der Dritte im Bunde? Schattauer Verlag, Stuttgart.
Statistisches Bundesamt, Zahl der Woche vom 23.02.2010: Nur 5,3 % aller Gefangenen in Deutschland sind Frauen. destatis.de.
Stefan P. Rübenach (2007), Todesursache Suizid, Statistisches Bundesamt, destatis.de.
Drogen- und Suchtbericht (2016) Bundesministerium für Gesundheit.
S. Koop (2009): Männer und Frauen am Fussballplatz. Magisterarbeit Universität Wien. ottes.univie.ac.at/3759/1/2009-01-29_0443072.pdf